Weibliche Hauptfiguren in Abenteuerspielen: Ein neues Spielerlebnis jenseits der Tradition

Ich erinnere mich noch gut an meine ersten Schritte in der Welt der Videospiele. Damals waren Heldinnen selten – und wenn es sie gab, waren sie meist nur Nebenfiguren oder „Eye Candy“ in knappen Outfits, deren Rolle sich darauf beschränkte, gerettet zu werden oder dem männlichen Helden zur Seite zu stehen. Frauen waren in Spielen oft Klischees: hübsch, hilflos oder sexy – aber kaum jemals eigenständig oder tiefgründig.

Doch die Zeiten haben sich glücklicherweise geändert. Heute stehen in vielen der besten und bedeutendsten Abenteuerspiele Frauen im Mittelpunkt – und das nicht nur als hübsche Kulisse, sondern als komplexe, glaubwürdige und vielschichtige Hauptfiguren. Diese Heldinnen sind stark, verletzlich, mutig, widersprüchlich – und genau das macht sie so menschlich. Sie haben ihre eigenen Ziele, kämpfen mit inneren Konflikten, tragen Verantwortung und treffen schwierige Entscheidungen. Und sie machen Fehler – wie echte Menschen eben.

Diese Entwicklung hat mein Spielerlebnis nachhaltig verändert. Als leidenschaftlicher Gamer und Blogger habe ich in den letzten Jahren festgestellt, dass Spiele mit weiblichen Protagonistinnen oft emotionaler, persönlicher und erzählerisch tiefer sind. Sie eröffnen neue Perspektiven, fordern alte Muster heraus und laden dazu ein, sich in fremde, aber auch vertraute Erfahrungen hineinzuversetzen.

In diesem Artikel möchte ich zehn bemerkenswerte Abenteuerspiele vorstellen, in denen Frauen die Hauptrolle übernehmen – und erzählen, warum genau diese Titel für mich mehr als nur unterhaltsam waren. Sie haben mich bewegt, überrascht und inspiriert.

1. Tomb Raider (Reboot-Serie) – Lara Crofts Wiedergeburt

Lara Croft war für viele die erste Videospielheldin überhaupt. Doch erst mit dem Reboot 2013 wurde sie zu einer glaubwürdigen Figur mit Ecken und Kanten. In Tomb Raider, Rise of the Tomb Raider und Shadow of the Tomb Raider erleben wir ihre Entwicklung von einer verletzlichen Studentin zu einer entschlossenen Abenteurerin. Ich habe selten so mit einer Figur mitgefiebert. Ihre Kämpfe – innerlich wie äußerlich – sind intensiv und inspirierend.

2. Horizon Zero Dawn / Horizon Forbidden West – Aloy als neue Ikone

Aloy war für mich eine echte Offenbarung. In der postapokalyptischen Welt von Horizon geht sie ihren Weg – unabhängig, neugierig, mutig. Ihre Geschichte ist nicht auf Romantik reduziert, sondern fokussiert auf Identitätssuche, Technikverständnis und gesellschaftlichen Wandel. Was mich besonders bewegt hat: Aloy ist nicht perfekt. Sie macht Fehler, zweifelt, wächst daran – genau wie wir.

3. Life is Strange – Max und Chloe, eine emotionale Achterbahnfahrt

Ich habe beim Spielen von Life is Strange mehrfach innehalten müssen – so sehr hat mich die Geschichte berührt. Max, die ihre Zeitreise-Fähigkeit entdeckt, steht im Zentrum der Handlung. Ihre Beziehung zu Chloe, ihr innerer Konflikt und die moralischen Entscheidungen, die sie treffen muss, fühlen sich zutiefst menschlich an. Es geht um Freundschaft, Verlust und Verantwortung – und das mit einer weiblichen Perspektive, die man sonst selten in Spielen sieht.

4. Hellblade: Senua’s Sacrifice – Psychose als Spielmechanik

Hellblade war eine der intensivsten Spielerfahrungen meines Lebens. Die Protagonistin Senua leidet an Psychosen, hört Stimmen und kämpft gegen innere Dämonen. Der Realismus dieser Darstellung – in Zusammenarbeit mit Psychologen entwickelt – ist erschütternd und beeindruckend. Als Spieler war ich nicht nur dabei, ich war mitten drin. Senuas Kampf ist nicht heroisch im klassischen Sinn, sondern zutiefst menschlich.

5. Control – Jesse Faden und das paranormale Abenteuer

In Control übernimmt Jesse Faden die Leitung einer geheimen Regierungsbehörde – durch Zufall und Schicksal. Das Spiel ist ebenso mysteriös wie atmosphärisch dicht. Jesse ist keine typische Heldin, sondern eine Suchende, die Antworten will – über ihren Bruder, über sich selbst. Ich habe mich oft in der seltsamen Welt des Spiels verloren, aber Jesse war mein Anker.

6. Assassin’s Creed: Odyssey / Valhalla – Kassandra und Eivor als spielbare Alternativen

Ich habe in beiden Spielen die weibliche Variante gewählt – und nie bereut. Kassandra in Odyssey ist charismatisch, schlagkräftig und charmant. Eivor in Valhalla bringt eine ruhige Stärke mit. In beiden Fällen hat Ubisoft es geschafft, den Charakteren Tiefe zu verleihen, unabhängig vom Geschlecht. Für mich fühlte sich das Spielen dadurch einfach echter an.

7. The Walking Dead: Season 2 & 3 – Clementines Überlebenskampf

Ich habe Clementine über mehrere Staffeln hinweg begleitet. Vom kleinen Mädchen, das beschützt werden muss, bis zur jungen Frau, die selbst Verantwortung übernimmt. Ihre Entwicklung ist eines der schönsten Langzeit-Narrative in der Gamingwelt. Ich erinnere mich noch an Entscheidungen, die mir schlaflose Nächte bereitet haben – weil ich wusste, dass sie Clementines Leben beeinflussen würden.

8. Bayonetta – Die selbstbewusste Hexe

Bayonetta ist das komplette Gegenteil vieler anderer Heldinnen: überdreht, ironisch, übersexualisiert – aber auf ihre eigene Art ermächtigend. Sie ist sich ihrer Wirkung bewusst und spielt mit Klischees, statt ihnen zu unterliegen. Auch wenn ihr Stil nicht jedermanns Sache ist, finde ich es spannend, wie viel Kontrolle sie über ihr Narrativ hat.

9. Return of the Obra Dinn – Die unsichtbare Ermittlerin

In diesem Puzzle-Meisterwerk spielt man eine namenlose Ermittlerin einer Versicherungsgesellschaft, die den Tod von 60 Seeleuten aufklären muss. Zwar steht die Geschichte im Fokus, nicht die Figur, aber ich fand es erfrischend, dass ganz selbstverständlich eine Frau diese komplexe Denkaufgabe übernimmt – ohne besondere Betonung, sondern als Normalität.

10. Syberia-Reihe – Kate Walker und die Kunst des Andersseins

Die Syberia-Spiele begleiten Kate Walker auf einer skurrilen, melancholischen Reise durch halb Europa und Asien. Ich habe diese Reihe geliebt, weil sie so ruhig, stilvoll und nachdenklich ist. Kate ist keine Kämpferin, sondern eine Denkerin, eine Reisende – und genau das hat mir als Kontrast zum sonst so actionlastigen Genre gefallen.

Warum weibliche Hauptfiguren das Genre bereichern

Was all diese Spiele gemeinsam haben? Sie zeigen, dass Abenteuer nicht nur durch Gewalt und Machtfantasien definiert werden müssen. Frauen als Hauptfiguren eröffnen neue Perspektiven, erzählen andere Geschichten – oft emotionaler, tiefgründiger, reflektierter. Ich als Spieler habe dadurch viel mehr Vielfalt erlebt.

Natürlich ist das Geschlecht allein kein Qualitätsmerkmal. Aber wenn Spiele uns erlauben, andere Erfahrungen zu machen, Empathie zu entwickeln und gewohnte Muster zu durchbrechen, dann gewinnen wir alle. Die Zukunft des Gamings ist inklusiv – und das ist gut so.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert